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"Kaltei-Aktion" zur Kormoranbekämpfung am Bodensee im Jahre 2008 unzulässig

Datum: 16.03.2011

Kurzbeschreibung: Das gezielte Auskühlenlassen von Kormorangelegen zur Verminderung des Kormoranbestands am Bodensee ("Kaltei-Aktion") im Jahre 2008 war rechtswid-rig. Zu diesem Ergebnis kommt der für das Naturschutzrecht zuständige 5. Senat des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg (VGH) in seinem heute verkündeten Urteil.

Der Untersee ist traditionell Überwinterungsgebiet für Kormorane, die im Frühjahr in ihre nördlicher gelegenen Sommerquartiere weiterziehen. Seit 1998 hat sich im Naturschutzgebiet „Radolfzeller Aachried“ zusätzlich eine Brutkolonie (Sommerpopulation) etabliert, welche seitdem in der Tendenz stetig anwächst. Nachdem sich mehrere Fischereiverbände über steigende fischereiwirtschaftliche Schäden beklagt hatten, die sie auf die Zunahme des Kormoranbestands am Bodensee zurückführen, beschloss das Regierungspräsidium Freiburg, zur Reduktion des Kormoranbestandes im Radolfzeller Aachried eine „gezielte Störung“ der Vögel während der Brutphase durchzuführen. Zu diesem Zweck wurden die Nester in der Nacht vom 08. auf den 09. April 2008 mit einer stark gebündelten Halogenlampe angestrahlt mit dem Ziel, die brütenden Elterntiere kurzzeitig zu vertreiben und hierdurch eine Unterbrechung der Eientwicklung zu bewirken, die zum Absterben des Geleges führt. Hierfür erteilte das Regierungspräsidium am 08. April 2008 eine naturschutzrechtliche Befreiung von den entgegenstehenden Verbotsvorschriften der Naturschutzverordnung „Radolfzeller Aachried“ und zugleich eine Ausnahme von den entgegenstehenden Verbotsvorschriften des Artenschutzrechts. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme gerichtete Klage des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) blieb beim Verwaltungsgericht Freiburg erfolglos.
Auf die Berufung des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) hat der Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil nunmehr abgeändert und festgestellt, dass die durchgeführte Maßnahme rechtswidrig gewesen ist. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs haben die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Verbotsvorschriften der Naturschutzverordnung „Radolfzeller Aachried“ im April 2008 nicht vorgelegen. Eine Befreiung wegen „überwiegender öffentlicher Belange“ sei nicht in Betracht gekommen, weil das Regierungspräsidium die durch die Zulassungsentscheidung hervorgerufenen Eingriffe und Folgen nicht in der erforderlichen Weise berücksichtigt und gegeneinander abgewogen habe. Eine Befreiung sei auch nicht mit Blick auf die von der Fischereiwirtschaft beklagten Schäden gerechtfertigt gewesen. Denn es habe nicht festgestellt werden können, dass gerade die Kormoranpopulation am Untersee - erst recht diejenige im Radolfzeller Aachried - für Ertragsrückgänge bei den Fischern bzw. geltend gemachte Netzschäden verantwortlich sei. Dagegen sei es nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen, eine Befreiung mit Blick auf den Schutz der Äschenbestände im Untersee zu treffen. Diese Fischart sei dort unabhängig vom Kormoran in ihrem Bestand bedroht; die Restbestände würden zusätzlich aber durch den Fraßdruck der Kormoranpopulation im Radolfzeller Aachried gefährdet. Allerdings habe das Regierungspräsidium im konkreten Fall nicht plausibel darlegen können, dass die durchgeführte „Kaltei-Aktion“ einen effektiven Beitrag zum Schutz der Äschenbestände leisten könne. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hätte eine Befreiung von den Verbotsvorschriften der Naturschutzverordnung auch deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil das Naturschutzgebiet „Radolfzeller Aachried“ in einem der Europäischen Kommission gemeldeten Vogelschutzgebiet liege und das Regierungspräsidium vor der Zulassung der Maßnahme nicht deren Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Gebiets geprüft habe. Zwar sei im April 2008 eine „Erheblichkeitsabschätzung“ vorgenommen worden, diese habe im konkreten Fall den Anforderungen der Verträglichkeitsprüfung aber nicht genügt.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az: 5 S 644/09).

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