Suchfunktion

Ausweisung eines Vorstandsmitglieds eines islamischen Kulturvereins VGH legt Entscheidungsgründe vor

Datum: 03.06.2011

Kurzbeschreibung: Der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) hat mit Urteil vom 25.05.2011 entschieden, dass die Ausweisung eines im Vorstand eines islamischen Kulturvereins in Sindelfingen/Stuttgart tätigen libanesischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung der Hisbollah rechtmäßig ist (siehe Pressemitteilung Nr. 17 vom 26.05.2011). Die schriftlichen Entschei-dungsgründe liegen jetzt vor (Az.: 11 S 308/11):

Die Hisbollah sei seit ihrer Gründung 1982 bis heute unverändert auch eine terroristische Vereinigung, führt der VGH aus. Dies zeigten sowohl die ständigen mit Mörsern und Raketen geführten Angriffe der Hisbollah auf die im Grenzgebiet zum Libanon lebende israelische Zivilbevölkerung als auch die Geiselnahmen und Entführungen von Zivilisten, die nicht in offener militärischer Auseinandersetzung stattfänden. Auch die von der Hisbollah begangenen Selbstmordattentate verlören ihren terroristischen Charakter nicht deshalb, weil sie sich auch gegen israelische Einrichtungen richteten, denn die Adressaten seien nicht aktiv an den Feindseligkeiten beteiligt. Dass die Organisation seit einiger Zeit am öffentlichen politischen Leben und dem politischen Prozess des Libanon teilnehme und insbesondere auch mehrere Abgeordnete im Parlament stelle, führe nicht zu einer anderen Einschätzung, zumal die Hisbollah sich nie von ihrer terroristischen Vergangenheit distanziert habe und ihren „Märtyrerkult“ ungebrochen weiterlebe. Die von der Hisbollah gefeierten Selbstmordattentate könnten auch weder als Teil des „legitimen militärischen Kampfes gegen Israel“ angesehen werden noch sei die Verehrung der Attentäter ein unverfängliches Element der religiösen Kultur des Schiitentums.

Die Verbindung zwischen der Hisbollah und dem islamischen Kulturverein Sindelfingen/Stuttgart dokumentiere sich zum einen in den engen Beziehungen zwischen dem Kulturverein und einem von der Hisbollah beeinflussten Waisenkinderprojekt, das die Versorgung und Betreuung von Waisen aus dem Libanon übernehme, die durch ein „Martyrium“ ihrer Eltern zu Waisen geworden seien. Zum anderen zeige es sich darin, dass der Kulturverein ebenfalls den hisbollah-typischen „Märtyrerkult“ praktiziere. In den von ihm herausgegebenen Jahreskalendern seien Märtyrergedenktage genannt, die eindeutig Selbstmordattentäter beträfen. Zudem fänden sich in den Jahreskalendern des Kulturvereins Abbildungen von dem Anführer der Hisbollah, von deren Kämpfern sowie von Jungen, die der Pfadfinderorganisation der Hisbollah angehörten. Der Behauptung eines Zeugen, dass es sich bei diesen Kalenderblättern um Fälschungen handele und der Verein mit Politik nichts zu tun habe, schenkte der VGH keinen Glauben. Vielmehr sei davon auszugehen, heißt es in den Entscheidungsgründen weiter, dass sich der islamische Kulturverein als Sprachrohr und Vermittler der Hisbollah in der Bundesrepublik und in Europa verstehe.

Die Bedeutung der genannten Aktivitäten sieht der VGH darin, die hier lebenden Landsleute ideologisch und vor allem auch emotional an die Hisbollah zu binden und für ihre terroristischen Ziele zu gewinnen. Dies könne nur als ein wechselseitiger Prozess verstanden und begriffen werden, der auch in den Libanon zurückreiche bzw. zurückweise, weil dadurch die Position der Hisbollah im Libanon gestärkt werden solle, wenn die Hisbollah auf eine Vielzahl von im Ausland bereit stehender Anhänger verweisen könne. Daneben könne auf diese Weise auch ein Potential an gewaltbereiten Rückkehrern aufgebaut und vorgehalten werden, die selbst als potentielle Selbstmordattentäter bereit stünden. Ob diese Unterstützungshandlungen des islamischen Kulturvereins, dessen Vorstand der Kläger angehöre, von Erfolg gekrönt seien, sei unbeachtlich. Es genüge, wenn das festgestellte Verhalten zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beitrage und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheine.

Der langjährige, legale Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stehe der Ausweisung - auch mit Blick auf den durch Art. 8 EMRK verbürgten Schutz des Privatlebens - nicht entgegen. Der - wirtschaftlich wenig integrierte - Kläger sei in der Vergangenheit ständig in den Libanon gereist und habe sich dort auch nicht nur tageweise aufgehalten. Auch lebe beinahe seine gesamte Familie im Libanon einschließlich seiner fünf Kinder und seiner Frau, die sich von ihm getrennt habe.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Fußleiste