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Auflösung eines Skinhead-Konzerts aus feuerpolizeilichen Gründen gerechtfertigt

Datum: 12.07.2010

Kurzbeschreibung: Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat heute entschieden, dass rechtsextreme Skinhead-Kon zerte in der Regel unter den Schutz der Versammlungs- freiheit fallen, so dass ihr Verbot bzw. ihre Auflösung nur unter den engen Voraussetzungen des Versammlungs gesetzes in Betracht kommt. Ein Verbot bzw. eine Auflösung aus feuerpolizeilichen Gründen kann jedoch auf der Grundlage der sog. polizeilichen Generalklausel zum Schutz von Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gerechtfertigt sein.

Im Einzelnen führte der VGH bei der Verkündung aus:
Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und nicht zuletzt die Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Konzertbesuch auch dem Musikkonsum dient und eine Art von Freizeitgestaltung ist, so lässt sich kein Übergewicht der nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung feststellen, so dass die Veranstaltung jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln ist.

Ein solches Konzert kann vor Beginn nach § 5 VersammlG u.a. verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wegen des hohen Rangs der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) ist vor einem Verbot zu prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen wie Auftrittsverbote für bestimmte Bands oder das Verbot des Spielens bestimmter strafrechtlich relevanter Musikstücke in Betracht kommt.

Die Auflösung einer solchen Veranstaltung nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufge-fordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen.

Die Stadt Geislingen als zuständige Ortspolizeibehörde hat ihre Auflösungsver-fügung zulässigerweise selbstständig tragend auf feuerpolizeiliche Gefahren gestützt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob mit der Maßnahme auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. War das Verbot bzw. die Auflösung der Versammlung zur Abwehr aus der Nichtbeachtung feuerpolizeilicher Vorschriften resultierender konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit geboten und wurde die Verfügung auch hierauf gestützt, so ist sie nicht deshalb rechtswidrig, weil zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde.

Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es aus-schließlich auf die Erwägungen der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auf-lösungsverfügung bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.

Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. Süd-Tank stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinheadband als Probenraum genutzt wurde, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das Konzert in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Bei dieser Sachlage war das Verbot bzw. die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az: 1 S 349/10).

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