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Ausübung des Vorkaufsrechts für den ehemaligen Güterbahnhof in Reutlingen rechtmäßig

Datum: 30.03.2009

Kurzbeschreibung: Die Stadt Reutlingen hat ihr Vorkaufsrecht für den ehemaligen Güterbahnhof rechtmäßig ausgeübt. Das hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden.

Die Stadt Reutlingen möchte das Gelände des früheren Güterbahnhofs, dessen Betrieb vor etwa 20 Jahren aufgegeben worden ist, als Verknüpfungspunkt zwischen Straße und Schiene langfristig sichern. Bei geänderten verkehrspolitischen Rahmenbedingungen könnten dort - so ihre Vorstellung - ein Standort für den kombinierten Ladeverkehr und ein Containerbahnhof entstehen. Der Gemeinderat beschloss deshalb im April 1999 die Aufstellung eines Bebauungsplans, der im Wesentlichen ein Sondergebiet „Containerbahnhof“ und ein Sondergebiet „Logistik-Zentrum“ vorsehen soll. Er beschloss ferner im März 2001 eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht und legte anschließend einen Planentwurf öffentlich aus. Weiter ist das Planungsverfahren noch nicht gediehen. Am 26.3.2003 verkaufte die Deutsche Bahn einen Großteil der Fläche zu einem Preis von etwa 65.000 Euro an eine Immobiliengesellschaft, die sich mit der Entwicklung ehemaliger Bahnflächen befasst. Der Finanzausschuss der Stadt beschloss am 13.11.2003, das Vorkaufsrecht auszuüben.

Die Deutsche Bahn und die Käuferin (Klägerinnen) wehrten sich dagegen und hatten mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen (VG) Erfolg, weil nach Ansicht des VG nicht der Finanzausschuss des Gemeinderats sondern entweder die Oberbürgermeisterin oder der Gemeinderat für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständig gewesen sei. Auf die Berufung der Stadt hat der VGH nun der Stadt Recht gegeben und die Klage abgewiesen.

Er hat ausgeführt, dass der Finanzausschuss, dessen Zuständigkeitsrahmen damals von gut 75.000 Euro bis etwa 250.000 Euro gereicht habe, für die Entscheidung zuständig gewesen sei. Denn dem Kaufpreis seien Nebenkosten (Grunderwerbsteuer und Notargebühren) sowie ein „Sicherheitszuschlag“ hinzuzurechnen, weil der Verdacht bestehe, dass der Boden des Bahngeländes Verunreinigungen aufweise. Die Deutsche Bahn habe zwar in dem Kaufvertrag zugesagt, die zu deren Beseitigung erforderlichen Kosten zu übernehmen. Sie habe das aber von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig gemacht, die nur schwer durchschaubar seien. Dieser „Sicherheitszuschlag“ sei von der Stadt nicht näher beziffert worden. Das sei aber unschädlich, denn zum einen sei dazu nur die Bahn als Eigentümerin in der Lage. Zum anderen hätten die Klägerinnen selbst betont, dass das Risiko eines Ausfalls der Bahnhaftung für die Altlastenbeseitigung gering sei. Davon abgesehen habe der Erste Bürgermeister als ständiger Vertreter der Oberbürgermeisterin die Sitzung des Finanzausschusses vom 13.11.2003 geleitet und der Ausübung des Vorkaufsrechts zugestimmt. Schließlich habe sich der Gemeinderat zwischenzeitlich mehrfach mit dem Projekt befasst, ohne die Entscheidung des Finanzausschusses zu beanstanden. Deshalb sei davon auszugehen, dass er diese billige.

Gegen die Satzung über das besondere Vorkaufsrecht und die zugrunde liegenden Bauleitplanung bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Stadt sei befugt, eine eigene Verkehrspolitik zu betreiben. Dies gelte auch für den Eisenbahnverkehr, zumal dieser innerstädtisch auf eine Verknüpfung mit dem (gemeindlichen) Straßennetz angewiesen sei. Die Stadt plane kein Bahnprojekt, sondern wolle lediglich geeignete Flächen freihalten, um einem Bahnunternehmen die zukünftige (Wieder-)Inbetriebnahme einer Bahnanlage zu ermöglichen. Sie verfolge damit ein im Regionalplan enthaltenes Ziel, das mit den Vorgaben des Generalverkehrsplans des Landes übereinstimme. Dass sich dafür derzeit noch keine Realisierungschance abzeichne, sei unschädlich.

Der VGH ist auch dem Einwand der Klägerinnen entgegengetreten, es liege überhaupt kein Vorkaufsfall vor, sondern lediglich eine konzerninterne Vermögensverschiebung, weil die Käuferin bei Abschluss des Kaufvertrages noch eine unmittelbare Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn gewesen sei. Er hat vielmehr darauf abgehoben, dass andere Investoren jedenfalls an der Führungsgesellschaft der Käuferin schon damals mehrheitlich beteiligt gewesen seien. Im Übrigen sei die Bahn seit einiger Zeit an der Käuferin überhaupt nicht mehr beteiligt.

Schließlich rechtfertige - so der VGH - das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts. Denn die Stadt habe überzeugend dargelegt, dass und warum sich ihr Planungsziel, den Güterbahnhof als Verknüpfungspunkt zwischen Straße und Schiene langfristig zu sichern, um hierdurch die Verteilung der regionalen Stückgüter im Austausch Straße/Schiene verkehrspolitisch sinnvoll für die Region Reutlingen/Tübingen/Neckar-Alb zurückgewinnen zu können, nur an diesem Standort verwirklichen lasse.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Az.: 8 S 31/08). 

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