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Pressemitteilung über die Geschäftstätigkeit im Jahr 2005

Datum: 15.03.2006

Kurzbeschreibung: 

Vorbemerkung:

Bundesweit war im letzten Jahr ein deutlicher Rückgang der Verfahrenseingänge zu verzeichnen. Dabei schlugen erheblich zu Buche die Verlagerung der Sozialhilfestreitigkeiten auf die Sozialgerichtsbarkeit zu Beginn des letzten Jahres sowie der deutliche Rückgang der Asylverfahren. Rückgänge waren - nicht in dieser großen Zahl - aber auch in anderen Rechtsgebieten zu verzeichnen. Dabei kann hierfür die Neuregelung des Kostenrechts ursächlich sein, nach der nunmehr bei Klageerhebung ein Gebührenvorschuss zu zahlen ist, es kann aber auch die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik von Bedeutung sein. So liegt es nahe, dass, wenn die Bautätigkeit zurückgeht, auch weniger Rechtsstreitigkeiten in Bausachen anfallen.


1. Geschäftsentwicklung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Die Eingänge beim Verwaltungsgerichtshof gingen im Jahr 2005 um etwa 17 % zurück, wobei die Ursache im Wesentlichen bei den deutlich geringeren Rechtsmittelverfahren im Asyl, im Numerus-clausus und in der Sozialhilfe liegt. Der bundesweite Trend machte sich daher auch in Baden-Württemberg bemerkbar.

Da der Verwaltungsgerichtshof über keine nennenswerte Rückstände verfügt, zeigt  sich eine rückläufige Eingangsentwicklung auch bei der Erledigungsquote. Naturgemäß sind deshalb gerade bei den NC-Verfahren und den Asylverfahren mangels Masse auch weniger Verfahren erledigt worden.

Bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer liegt der Verwaltungsgerichtshof nach wie vor an der Spitze. Rechtsmittel in allgemeinen Verwaltungsrechtsverfahren werden im Schnitt in 7,5 Monaten und in Asylverfahren in 3,6 Monaten entschieden. In den erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren liegt die Verfahrenslaufzeit bei unter 12 Monaten. Bei den eilbedürftigen Beschwerdeverfahren können die Prozessbeteiligten mit einer Entscheidung binnen gut drei Monaten rechnen. Mit dieser Bilanz kann sich der Verwaltungsgerichtshof sehen lassen.


2. Geschäftsentwicklung bei den Verwaltungsgerichten des 1. Rechtszuges
 
Bei den vier Verwaltungsgerichten im Land sind im Jahr 2005 etwa 21 % weniger Verfahren anhängig geworden wie im Jahr zuvor, wobei im Asylrecht der stärkste Einbruch erfolgte (minus 30 %). Im Übrigen machte sich der Wegfall der gerichtlichen Zuständigkeit für das Sozialhilferecht bemerkbar. Dieser Ausfall war belastungsneutral, weil zehn Richterstellen an die Sozialgerichtsbarkeit verlagert wurden. Die Verwaltungsgerichte haben erfreulicherweise ihren Verfahrensbestand von 17.651 im Jahr 2004 auf 13.772 abgebaut, also gut 3.000 Verfahren mehr erledigt als eingegangen sind.

Auch hier wurde zeitnaher Rechtsschutz gewährt. Die Hauptsacheverfahren werden in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen im Durchschnitt nach einem Dreivier-teljahr entschieden, in Asylsachen in gut einem Jahr. Nach etwa zwei Monaten waren im Schnitt Entscheidungen in Eilverfahren ergangen. Auch dies ist im bundes-weiten Ranking Spitze.

Das Hauptkontingent an Asylklägern stellte bei den Verwaltungsgerichten wie im Jahr zuvor Serbien Montenegro, gefolgt von Irak, der Türkei und Kamerun.
 

3. Zusammenführung der Fachgerichtsbarkeiten

Der im Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf zur Zusammenführung der Fachgerichtsbarkeiten fiel nach der Wahl dem Grundsatz der Diskontinuität  zum Opfer, d. h. er konnte in der neuen Legislaturperiode nicht weiter behandelt werden. Er wurde allerdings vom Bundesrat nunmehr erneut eingebracht.


4. Verhandlung durch Videokonferenzschaltung

Seit September des vergangenen Jahres bietet der VGH den Verfahrensbeteiligten eine Zuschaltung zur mündlichen Verhandlung im Wege der Videokonferenztechnik an. Über die erste Verhandlung am 21.09.2005 (vgl. Pressemitteilung Nr. 43/2005 vom 12.09.2005) , bei der Behördenvertreter des Regierungspräsidiums Tübingen mit Ton und Bild zugeschaltet waren, wurde in den Medien ausführlich berichtet (siehe näheres www.vghmannheim.de).

5. Terminvorschau im Internet

Auch in anderen Verfahren ist der VGH im letzten Jahr verstärkt dazu übergegangen, wichtige Verhandlungen vorab mittels Pressemitteilung anzukündigen, um den Medien auf diese Weise eine aktuelle Berichterstattung über die Verhandlung zu ermöglichen. Angesichts der guten Erfahrungen soll diese Praxis auch künftig fortgeführt werden. Ergänzend hierzu weist der VGH seit 09.03.2005 auch auf sei-ner - landeseinheitlich neu gestalteten - Homepage auf zahlreiche weitere Verhandlungstermine, insbesondere in regional interessanten Verfahren hin. Die neue Homepage des VGH ist über folgende Internet-Adressen zu erreichen:  www.vghmannheim.de; http://www.vgh-mannheim.de; www.verwaltungsgerichtshof-baden-württemberg.de und www.verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.de .




6. Rückblick auf wichtige Entscheidungen im vergangenen Jahr

Die im vergangenen Jahr mit insgesamt 65 Pressemitteilungen bekannt gegebenen Entscheidungen und Verhandlungsterminen zeigen deutlich, dass der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch nach dem Wegfall der Sozialhilfezuständigkeit noch eine breite Palette verwaltungsgerichtlicher Zuständigkeiten verblieben ist. Nur beispielhaft ist hierbei an die  Entscheidungen über die Einstellung des Sendebetriebs des privaten Fernsehsenders BTV 4 U (PM Nr. 05/2005 vom 17.01.2005), die Fra-ge der Zulässigkeit einer Solaranlage auf dem Dach einer als Kulturdenkmal geschützten Kirche (PM Nr. 33/2005 vom 27.06.2005), die Rechtmäßigkeit eines gemeindlichen Taubenfütterungsverbotes (PM Nr. 44/2005 vom 27.09.2005) und mehrere straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren zu erinnern (etwa PM Nr. 09/2005 vom 26.01.2005). Starke Resonanz in den Medien fanden auch die Entscheidungen des VGH zu politisch umstrittenen Themen, wie der Ausweisung von Vorrangstandorten für Windenergie im Gebiet des Regionalverbandes Mittlerer Oberrhein (PM Nr. 31/2005 vom 09.06.2005) und im Landschaftsschutzgebiet „Schauinsland“ (PM Nr. 45/2005 vom 27.09.2005), sowie die Entscheidung im Streit um die luftverkehrsrechtliche Genehmigung des Flughafenbetriebes mit Großflugzeugen in Lahr (PM Nr. 17/2005 vom 28.02.2005). Auch die Entscheidung über die „Körperwelt“- Ausstellung Gunther von Hagens fand große Beachtung (PM Nr. 54/2005 vom 29.11.2005).

7. Anhängige Verfahren von öffentlichem Interesse

1. Senat

Im Berufungsverfahren - 1 S 2321/05 - wendet sich die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. (Klägerin) gegen verschiedene Aussagen des Landesamtes für Verfassungsschutz im Verfassungsbericht 2001. Die Klägerin, eine Vereinigung von Muslimen hauptsächlich aus der Türkei, wird vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Im Verfassungsschutzbericht 2001 werden der Klägerin im Kapitel „Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern“ unter der Rubrik „Islamismus“ politische Ziele und Gewaltbereitschaft unterstellt und Äußerungen von Rednern sowie Sprechchöre der Zuschauer bei verschiedenen Veranstaltungen der Klägerin wiedergegeben. Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich dabei um unwahre Tatsachenbehauptungen, durch die sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als religiöse Vereinigung verletzt werde.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 09.07.2004 abgewiesen (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 13.07.2004). Es hat seine Überzeugung, dass die gerügten Passagen im Verfassungsschutzbericht der Wahrheit entsprechen, maßgeblich auf ein Behördenzeugnis und die Bekundungen eines Mitarbeiters des Bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz gestützt, das seine Erkenntnisse über die Klägerin mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen hat. Die einschlägigen Akten des Bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz hat das beklagte Land nicht vorgelegt und sich darauf berufen, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der 14. Senat des VGH hat mit Beschluss vom 24.03.2004 die Verweigerung der Aktenvorlage für rechtmäßig erklärt. Die Klägerin verfolgt im Berufungsverfahren den Unterlassungsanspruch weiter und benennt wiederum die Redner und mehrere Teilnehmer der Veranstaltung als Zeugen; sie sollen bekunden, dass die behaupteten Äußerungen nicht gefallen sind.

2. Senat

Im Berufungsverfahren 2 S 2559/05 greift die im Landkreis Lörrach gelegene Gemeinde Steinen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.10.2005 an, mit dem dieses auf die Klage eines Einwohners die von der Gemeinde festgesetzte Abwassergebühr beanstandet und den für das Jahr 2000 erlassenen Abwassergebührenbescheid aufgehoben hat. Die Gemeinde hatte - wie allgemein in den Gemeinden üblich - der Berechnung der Abwassergebühr den sog. „Frischwassermaßstab“ zugrunde gelegt, d.h. sie hatte die Menge des eingeleiteten Abwassers ausschließlich nach dem Frischwasserverbrauch bemessen. Der Kläger hatte dagegen eingewandt, dieser Maßstab sei rechtswidrig, da er die Kosten der Einleitung von Regenwasser nicht verursachergerecht berücksichtige. Angesichts einer zunehmenden Bodenversiegelung und den Kosten für Rückhaltebecken und Hochwasserschutzmaßnahmen müsse eine „gesplittete“ Abwassergebühr, jeweils getrennt für die Einleitung von Schmutzwasser und Regenwasser festgesetzt werden. Der VGH hat in der Vergangenheit den Frischwasserverbrauch als Maßstab für die Abwasserbeseitigung regelmäßig dann als sachgerecht angesehen, wenn die Kosten für die Beseitigung des eingeleiteten Niederschlagswassers gering (kleiner als 12 %) waren oder wenn die jeweilige Kommune durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt war. Bei ländlichen Gemeinden bis zu einer Einwohnerzahl von 60.000 bis 80.000 ging der VGH bislang im Regelfall von einer homogenen Siedlungsstruktur aus. Im vorliegenden - vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Berufungsverfahren wird der VGH Gelegenheit haben, insbesondere die Anforderungen an den Nachweis der homogenen Siedlungsstruktur näher zu konkretisieren. Das Verwaltungsgericht hatte den einheitlichen Frischwassermaßstab nur ausnahmsweise als zulässig erachtet und ist davon ausgegangen, dass die Gemeinde die homogene Siedlungsstruktur nicht hinreichend belegt habe.

3. Senat

In den Asylverfahren - A 3 S 104/05, A 3 S 988/05, A 3 S 989/05, A 3 S 46/06,     A 3 S 47/06, A 3 S 48/06 und A 3 S 49/06   wird der 3. Senat voraussichtlich im Laufe des Jahres 2006 darüber verhandeln und entscheiden, ob Asylsuchende aus der Russischen Förderation mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit in Tschetschenien einer Gruppenverfolgung unterliegen und ob ihnen in anderen Teilen Russlands eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. In der Sache liegen in den sieben beim Senat anhängigen Berufungsverfahren unterschiedliche Entscheidungen der Vorinstanzen vor. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat im Verfahren - A 3 S 104/05 - die Klagen der Asylbewerber gegen die Ablehnung ihres Asylantrages abgewiesen und ist hierbei davon ausgegangen, dass diesen zwar wegen der desolaten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Tsche-tschenien nicht zumutbar sei, ihnen aber eine inländische Fluchtalternative in an-deren Teilen der Russischen Förderation zur Verfügung stehe. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe in den übrigen Verfahren eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Förderation verneint und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtet, festzustellen, dass die Abschiebung der Kläger nach § 60 Abs. 1 AufenthG verboten ist.

Unter die Rubrik „Kuriositäten“ einzuordnen ist das Berufungsverfahren 3 S 1475/05, in dem es um die Haltung eines „Hausschweins“ geht. Die in Neckargemünd wohnhaften Kläger sind Eigentümer eines Göttinger Miniaturschweins und halten dieses auf dem Hof ihres Wohngrundstücks. Die Nachbarn der Kläger beantragten bei der Baurechtsbehörde, die Nutzung des Hofs zur Haltung eines Schweins zu untersagen, da sie Geruchsbelästigungen ausgesetzt seien. Dies lehnte die Baurechtsbehörde nach Einnahme eines Augenscheins und Einholung von Stellungnahmen des Veterinäramtes und des Gesundheitsamtes ab. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Nachbarn wies das Regierungspräsidium das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis an, eine Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen. Dem kam das Landratsamt nach. Die hiergegen von den Klägern eingelegten Rechtsmittel (Widerspruch und Klage) blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage u.a. mit der Begründung ab, Schweine seien Nutztiere und keine Haustiere und Nutztiere würden üblicherweise in Ställen und nicht auf Wohngrundstücken gehalten. In dem vom Senat zugelassenen Berufungsverfahren machen die Kläger geltend, von ihrem Schwein gingen keine Geruchsbelästigungen aus, sie hielten das Schwein als Haustier und dieses gehe bei einer Trennung von ihnen unweigerlich zu Grunde. Der Senat wird in diesem Verfahren voraussichtlich im Sommer 2006 einen Augenschein einnehmen und den Rechtsstreit entscheiden.

4. Senat

Im Berufungsverfahren - 4 S 101/05 - erstrebt der Kläger, ein 1952 geborener beihilfeberechtigter Beamter des Landes Baden-Württemberg, die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen für das Medikament Cialis. Dieses Medikament zur   Potenzsteigerung war dem Kläger zur Behandlung seiner erektilen Dysfunktion ärztlich verordnet worden. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung lehnte den vom Kläger im April 2004 gestellten Antrag auf Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen für dieses Medikament mit der Begründung ab, Aufwendungen für Mittel, die zur Potenzsteigerung verordnet würden, seien generell nicht beihilfefähig. Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart diesen Bescheid aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, dem Kläger Beihilfe in Höhe von 101,09 Euro zu gewähren (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 12.01.2005). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das aus Anlass einer Krankheit (hier: der erektilen Dysfunktion) ärztlich verordnete Arzneimittel sei beihilfefähig. Der Ausschluss von Beihilfe für potenzsteigernde Mittel (Cialis, Viagra) in der baden-württembergischen Beihilfeverordnung sei unwirksam. Zwar stehe dem Dienstherrn für die Regelung der Beihilfe ein weiter   Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Dienstherr werde aber dann seiner Fürsorgepflicht nicht gerecht, wenn ein Mittel existenzielle Bedeutung habe oder notwendig sei, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können. Dies sei angesichts der Bedeutung der Sexualität für den Menschen, insbesondere innerhalb der Familie, der Fall. Das beklagte Land hat gegen das Urteil  - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung eingelegt und hält weiterhin daran fest, dass der Ausschluss von Beihilfe für potenzsteigernde Mittel generell zulässig sei.

5. Senat

Am 29.03. und 30.03.2006 verhandelt der 5. Senat über die drei anhängigen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes vom 28.01.2005 für den Umbau des Bahnknoten Stuttgart im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (vgl. Pressemitteilung Nr. 6/2006 vom 13.02.2006).

Die weiteren Abschnitte von „Stuttgart 21“ sind erst teilweise planfestgestellt. Bereits anhängig sind beim Verwaltungsgerichtshof vier Klagen gegen die Planfeststellung des Abschnitts 1.2 „Fildertunnel“ vom 19.08.2005. In diesen Verfahren liegt zwar die Klagebegründung vor, nicht jedoch die Erwiderung der Beklagten und der beigeladenen Deutschen Bahn. Ein Zeitpunkt für eine mündliche Verhandlung in diesen Verfahren ist daher noch nicht absehbar (  5 S 2177/05, 5 S 2224/05, 5 S 2257/05 und 5 S 2258/05  ).

Anhängig sind in diesem Zusammenhang ferner mehrere Klagen der Stuttgarter Straßenbahn AG bzw. der DB Netz AG gegen Planfeststellungsbeschlüsse des Regierungspräsidiums Stuttgart betreffend den Ausbau des Stadt-Bahn-Netzes U6 und U12. Die Stuttgarter Straßenbahn AG wendet sich hierin gegen Auflagen zum Schutz vor Erschütterungen und sekundärem Luftschall, die DB Netz AG macht einen Konflikt dieser planfestgestellten Straßenbahnlinien im Zusammenhang mit dem planfestgestellten Umbau des Hauptbahnhofs Stuttgart geltend.

Im Berufungsverfahren - 5 S 497/06 - will die Stadt Waldshut-Tiengen die Feststellung erreichen, dass die A 98 zwischen Tiengen-West und Lauchringen   ohne Mautpflicht befahren werden darf. Die Stadt Waldshut-Tiengen, die selbst Halterin von drei mautpflichtigen LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 12 t ist und sich durch die Mautpflicht u.a. in ihrer Planungshoheit verletzt sieht, da diese eine Zunahme des Schwerlastverkehrs durch die Stadt um 20 % verursache, hatte beim Verwaltungsgericht Freiburg gegen das Land Baden-Württemberg, die Firma Toll Collect und die Bundesrepublik Deutschland Feststellungsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 23.09.2005 (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 05.10.2005) die Klagen gegen das Land Baden-Württemberg und die Firma Toll Collect als unzulässig und die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland als unbegründet abgewiesen. Auf Antrag der Stadt Waldshut-Tiengen wurde die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss des VGH vom 24.02.2006 nur insoweit zugelassen, als die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewiesen worden ist. Soweit das Verwaltungsgericht die Klagen gegen das Land Baden-Württemberg und die Firma Toll Collect abgewiesen hat, wurde der Zulassungsantrag abgelehnt; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher insoweit rechtskräftig. Im Berufungsverfahren geht es insbesondere um die Frage, ob die bundesgesetzliche Mautpflicht gegen eine EU-Richtlinie verstößt bzw. ob sich die Stadt auf diese Richtlinie berufen kann. Dies hat das Verwaltungsgericht verneint. Nachdem der Bundesverkehrsminister      zwischenzeitlich erklärt haben soll, dass für das umstrittene Teilstück der A 98   eine Ausnahmeregelung vorgesehen sei (vgl. Stuttgarter Zeitung vom 09.03.2006), wird sich der Rechtsstreit möglicherweise vor einer Entscheidung des VGH in der Hauptsache erledigen.

7. Senat

In insgesamt neun jugendhilferechtlichen Verfahren - drei Anträge auf Zulassung der Berufung (- 7 S 896/05, 7 S 897/05 und 7 S 898/05  ) und sechs Berufungen (  7 S 1029/05, 7 S 1035/05, 7 S 1318/05, 7 S 2184/05, 7 S 2349/05 und 7 S 2382/05  )   begehren die Träger von Waldorf-Kindergärten von den jeweiligen Landkreisen Zuschüsse zum Bau und/oder Betrieb dieser Kindergärten. Beteiligte sind auf der Klägerseite die Vereine zur Förderung der Waldorfpädagogik aus   Biberach, Bad-Schussenried, Emmendingen, Künzelsau und Stockach-Wahlwies, der Förderverein Waldorf-Kindergarten Calw, der Verein für Freies Schulwesen Reutlingen und der Verein Initiative für Waldorfpädagogik in Engstingen sowie auf Beklagtenseite die Landkreise Biberach, Calw, Emmendingen, Hohenlohekreis, Konstanz und Reutlingen.

Im Berufungsverfahren - 7 S 2965/04 - begehrt eine französische Staatsangehörige vom beklagten Studentenwerk Tübingen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für die Dauer eines befristeten Studienaufenthalts als „Erasmus-Programm-Studentin“ an der Eberhard-Karls-Universität    Tübingen im Wintersemester 2002/2003 und im Sommersemester 2003. Das Erasmus-Programm wurde Ende der 80iger-Jahre von der EU ins Leben gerufen um die Mobilität der Studierenden innerhalb Europas zu steigern. Es ermöglicht Studenten innerhalb Europas einen Hochschulaustausch. Das Studentenwerk hat die Leistungen mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen für eine Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz seien nicht erfüllt. Die Klä-gerin beruft sich auf ihre Freizügigkeit als Unionsbürgerin und das Diskriminierungsverbot und beantragt, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klage abgewiesen. Auf Antrag der Klägerin hat der VGH die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

8. Senat

Im Normenkontrollverfahren - 8 S 1367/05 - geht es um die Zulässigkeit eines Bebauungsplans, der ein Sondergebiet für ein „Thermal- und Erlebnisbad mit Gesundheitszentrum“ in Friedrichshafen-Fischbach zwischen dem Bodenseeufer und der B 31 vorsieht. Mit diesem Bad, dem ein Entwurf des Designers Colani zugrunde liegt und das deshalb in der Bevölkerung als „Colani-Bad“ bezeichnet wird, soll ein Thermalwasservorkommen genutzt werden. Die Antragstellerinnen, denen Wohnhäuser gehören, die   getrennt durch eine etwa 50 m breite Obstanlage   nordwestlich des Plangebiets liegen, wenden sich gegen den ganzjährigen Betrieb des Bades mit bis zu 600.000 Besuchern anstelle des bisher nur saisonalen Betriebs eines Frei- und Seebades mit etwa 120.000 Besuchern im Jahr. Ferner befürchten sie, dass durch die vorgesehene Bebauung der bisher weitgehend freie Blick auf den Seehag und den See erheblich beeinträchtigt werde. Neben   einer Reihe von Verfahrensrügen wird vor allem zu prüfen sein, ob die betroffenen öffentlichen und privaten Belange ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen wurden, ob der Bebauungsplan gegen den Landesentwicklungsplan, gegen den Bodenseeuferplan oder naturschutzrechtliche Bestimmungen verstößt.

In diesem Verfahren wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf
Dienstag, den 16.05.2006, 9.30 Uhr
in 88046 Friedrichshafen, Technisches Rathaus, Charlottenstraße 12.

9. Senat

Im Berufungsverfahren 9 S 692/05 begehrt der Kläger, ein wegen einer Netzhauterkrankung erblindeter Physiotherapeut und Masseur, vom Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die Zulassung zur Heilpraktikerprüfung. Das Landratsamt hatte ihm die Zulassung mit der Begründung abgelehnt, ihm könne die erforderliche Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht erteilt werden, da ihm infolge eines körperlichen Leidens (hier: der Erblindung) die für die Berufsausübung erforderliche Eignung fehle. Ein Großteil der Tätigkeiten eines Heilpraktikers beruhe auf eigenen optischen Wahrnehmungen, wie z.B die Diagnose neurologischer und neuromuskulärer Erkrankungen, Tumore und degenerativer Erkrankungen und Fehlbildungen. Diese Diagnose könne ein Blinder nicht leisten. Dem ist das Verwaltungsgericht Freiburg im Ergebnis gefolgt und hat die Klage des Klägers abgewiesen. Im - vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Berufungsverfahren trägt der Kläger im wesentlichen vor, der generelle Ausschluss des Zugangs blinder Menschen zum Heilpraktikerberuf sei nach dem heutigen Verständnis eines sozialen Rechtsstaates unverhältnismäßig und stelle eine „nicht gerechtfertigte Diskriminierung“ im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes dar. Der Kläger müsse daher zur Heilpraktikerprüfung zugelassen werden. Nach bestandener Prüfung könne die Berufsausübung ggf. mit Auflagen auf bestimmte Therapieformen beschränkt werden.

Im Verfahren 9 S 2454/05 begehrt der Kläger, ein wegen Mordes rechtskräftig verurteilter Apotheker, dem vom Regierungspräsidium Stuttgart wegen dieser Tat die Approbation entzogen worden ist, die Zulassung der Berufung gegen ein die-se Entscheidung bestätigendes Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 21.11.2005). Der Kläger war vom Land-gericht Wiesbaden zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, nachdem er eine 73-jährige Nonne, die Tante seiner geschiedenen Frau, geschlagen und erwürgt hatte, da sie ihm nicht den Aufenthaltsort seines Sohnes hatte nennen wollen. Das Regierungspräsidium hatte ihn aufgrund dieser Tat als „unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs“ angesehen und ihm die Approbation entzogen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und die Berufung gegen dieses Urteil nicht zugelassen. Mit dem Zulassungsantrag macht der Kläger, der derzeit noch seine Haftstrafe verbüßt,  Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils geltend. Er meint, dem Verfahren komme auch grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Merk-mals der „Unwürdigkeit“ bislang nicht ausreichend geklärt sei. Der VGH wird in den nächsten Monaten darüber entscheiden, ob die Berufung zugelassen wird.




10. Senat

Im Verfahren - 10 S 643/05 - wendet sich die EnBW als Betreiberin des Kernkraftwerks (KKW) Philippsburg gegen nachträgliche Auflagen des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zum Betrieb der Reaktoranlage. Hierin war der EnBW im März 2005 auf Weisung des damaligen Umweltministers Trittin vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg aufgegeben worden, den Betrieb des KKW Philippsburg (Block 1 und 2) unverzüglich einzustellen, sofern „Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten“ werden, es sei denn, „das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend“. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der VGH erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Auflage angemeldet (vgl. Pressemitteilung Nr. 62/2005 vom 08.12.2005). Eine Entscheidung im noch anhängigen Verfahren ist derzeit noch nicht absehbar.

Im Berufungsverfahren - 10 S 1358/05 - wendet sich das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, wodurch dieses auf die Klagen zweier Bewohner von Stuttgart verpflichtet worden ist, für das Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart einen immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan über Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit vor Feinschwebestaub aufzustellen (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 31.05.2005). Das Regierungspräsidium Stuttgart hat Anfang des Jahres 2006 einen Aktionsplan erlassen. Ob sich der Rechtsstreit aufgrund dieses Planes in der Hauptsache erledigt hat, bzw. ob die Beteiligten entsprechende Erledigungserklärungen abgeben, wird derzeit noch geprüft.

In den Berufungsverfahren - 10 S 1538/05 und 10 S 1557/05 - begehren ein österreichischer und ein französischer Getränkehersteller die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, auf ihre in Einwegverpackungen in Verkehr gebrachten Getränke ein Pfand zu erheben, die gebrauchten Verpackungen gegen Erstattung des Pfandes unentgeltlich zurückzunehmen und mit Nachweis zu verwerten. Sie ma-chen geltend, die Pflichtpfandregelung hindere sie beim Export ihrer Produkte nach Deutschland. Die Regelung verzerre den Wettbewerb und verstoße gegen die europarechtliche Garantie des freien Warenverkehrs. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 23.05.2005 (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 27.06.2005) die Klagen abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind auch ausländische Getränkehersteller verpflichtet, sich an die Verpackungsverordnung zu halten.

Im Berufungsverfahren - 10 S 2221/05 - wendet sich die Betreibergesellschaft des Theresien-Krankenhauses in Mannheim gegen eine Anordnung der Stadt Mannheim, mit der ihr aufgegeben wurde, den in ihrem Krankenhaus anfallenden und zur Abholung bereitgestellten Müll, u.a. aus den Bereichen Station, OP und Kantine, dem entsorgungspflichtigen Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Mannheim zu überlassen. Die Betreibergesellschaft lässt den im Krankenhaus anfallenden Abfall seit mehreren Jahren zur Verbrennung in die Müllverbrennungsanlage Bielefeld-Herford bringen. Die Stadt Mannheim ist der Auffassung, dass es sich abfallrechtlich bei dem Klinikmüll um sog. „Abfall zur Beseitigung“ handle und in der Müllverbrennungsanlage keine Verwertung der Abfälle stattfinde. Die Klägerin vertritt hingegen die Auffassung, dass sie mit der Verbrennung der Abfälle die geltenden gesetzlichen Anforderung an eine „energetische Verwertung“ erfülle und deshalb keine Überlassungspflicht bestehe. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Kla-ge der Betreibergesellschaft gegen die Anordnung der Stadt abgewiesen. Auf Antrag der Betreibergesellschaft hat der VGH die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

13. Senat

Im Berufungsverfahren - 13 S 2613/03 - begehrt der Kläger, ein seit 1979 im Bundesgebiet lebender türkischer Staatsangehöriger, seine Einbürgerung. Im Einbürgerungsverfahren stimmte das Innenministerium Baden-Württemberg der Einbürgerung nicht zu, da der Kläger Vorsitzender der Zweigstelle Philippsburg der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e.V. sei. Diese Organisation sei als extremistisch islamisch einzustufen; ihre Tätigkeit ziele auf die Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland ab, was eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstelle. Auf die Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Ablehnungsbescheid des Landratsamtes Karlsruhe aufgehoben und das Land verpflichtet, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. Gegen diese Entscheidung hat der VGH auf Antrag des Landes Baden-Württemberg die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Im Berufungsverfahren geht es im Wesentlichen um die Einschätzung der Milli Görüs im Hinblick auf die Vorschrift des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die eine Einbürgerung ausschließt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Vergleichbare Verfahren hat es in mehreren Bundesländern gegeben; an obergerichtlichen Entscheidungen liegt bisher nur eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vor, die die Milli Görüs aufgrund von Verfassungsschutzberichten als gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet einstuft. Ob hiergegen die Revision zugelassen wird, hat das Bundesverwaltungsgericht bisher noch nicht entschieden. Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen läuft ein vergleichbares Verfahren, in dem bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben worden ist, das bislang noch nicht vorliegt. Der VGH wird dieses Gutachten noch abwarten und dann zur Sache entscheiden.

Länderhäufigkeit (pdf-Datei 22 KB)
Verwaltungsgerichte 2005 (pdf-Datei 21 KB) Verwaltungsgerichtshof 2005 (pdf-Datei 23 KB)

 

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