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KKW Obrigheim: Klagen gegen 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung abgewiesen

Datum: 30.10.2014

Kurzbeschreibung: Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) hat mit einem heute verkündeten Urteil auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2014 Klagen von vier Bürgern (Kläger) gegen die der EnBW Kernkraftwerk GmbH (Beigeladene) vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (Beklagter) erteilte 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (SAG) für das Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) vom 24. Oktober 2011 abgewiesen. Diese Genehmigung verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie sei entgegen der Auffassung der Kläger weder formell noch materiell rechtswidrig.

Bei der Verkündung des Urteils führte der Senatsvorsitzende zur weiteren Begründung im Wesentlichen aus: Für die mit der 2. SAG genehmigten einzelnen Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls geboten gewesen. Denn es handele sich dabei nur um Einzelmaßnahmen, nicht jedoch um die "insgesamt geplante Maßnahme" im Sinne der einschlägigen Anlage zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Das Gesamtvorhaben sei Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung vor Erteilung der 1. SAG im Jahr 2008 gewesen. Eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung sei auch nicht etwa deshalb erforderlich gewesen, weil die 2. SAG die 1. SAG vollständig ersetzt hätte. Die 2. SAG habe vielmehr nur Einzelmaßnahmen zum Abbau gestattet und das Stilllegungsreglement in Randbereichen neu geregelt. Sie habe entgegen der Grundannahme der Kläger insbesondere nicht den Betrieb des externen Brennelementlagers im sog. "Notstandsgebäude“ (Bau 37) neu genehmigt. Ohne Rechtsfehler habe die Genehmigungsbehörde daher nur eine Vorprüfung des Einzelfalles gemäß dem UVPG durchgeführt. Diese Vorprüfung leide an keinem gerichtlich zu beanstandenden Rechtsfehler. Denn die 2. SAG enthalte keine relevanten Änderungen gegenüber der Erteilung der 1. SAG, die eine zumindest teilweise neue Verträglichkeitsprüfung erforderlich gemacht hätten.

Die Öffentlichkeit sei vor Erteilung der 2. SAG nicht erneut förmlich zu beteiligen gewesen. Eine solche Öffentlichkeitsbeteiligung habe vor der 1. SAG stattgefunden, ohne dass daraufhin Einwendungen erhoben worden seien. Die Genehmigungsbehörde habe von einer weiteren förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit nach der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung (AtVfV) ermessensfehlerfrei abgesehen. Sie habe dabei vor allem darauf abgehoben, dass das Gesamtvorhaben im Sicherheitsbericht zur Erteilung der 1. SAG umfassend beschrieben worden und bei einem weiteren Erörterungstermin deshalb nicht mit neuen Erkenntnissen zu rechnen gewesen sei. Diese Verfahrensweise stehe auch mit der "Aarhus-Konvention“ in Einklang, auf die sich die Kläger beriefen. Diese begründe zwar die Pflicht der Signatarstaaten zur Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke einschließlich deren Demontage und Stilllegung. Das erfordere jedoch keine Öffentlichkeitsbeteiligung für sämtliche Einzelmaßnahmen des Abbaus eines Kernkraftwerks.

Die 2. SAG leide auch nicht an einem materiell-rechtlichen Mangel. Die Genehmigungsbehörde habe davon ausgehen dürfen, dass die nach dem Atomgesetz (AtG) erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die mit der 2. SAG gestatteten Einzelmaßnahmen getroffen worden sei. Die nach der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) maßgeblichen Dosisgrenzwerte für die Strahlung aus der planmäßigen Ausführung dieser Einzelmaßnahmen würden eingehalten. Die Beigeladene habe vor Beginn der Abbaumaßnahmen die erforderliche radiologische Charakterisierung durchgeführt. Es sei rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass sich während der Abbaumaßnahmen noch Brennelemente im externen Lagerbecken befänden. Schließlich werde auch der Störfallplanungswert für Störfallszenarien eingehalten, die im Rahmen der 2. SAG zu betrachten seien.

Die Genehmigungsbehörde habe ferner davon ausgehen dürfen, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu Gunsten der Kläger gewährleistet sei. Das von den Klägern befürchtete Szenario des gezielten Absturzes eines großen Verkehrsflugzeugs (vor allem Airbus Typ A 380) auf das externe Brennelementlager sei nicht mehr zu betrachten gewesen. Denn die Errichtung dieses Lagers sei schon mit bestandskräftiger Genehmigung vom 26. Oktober 1998 gestattet worden. Die Kläger könnten die 2. SAG daher nur mit dem Einwand bekämpfen, dass die erforderliche Vorsorge gegen Einwirkungen Dritter insoweit nicht gewährleistet sei, als die Genehmigungsfrage gerade durch die geringfügigen Änderungen des Betriebsreglements neu aufgeworfen werde. Das behaupteten die Klägern selbst aber nicht substantiiert und es sei auch sachlich nicht zutreffend. Die generelle bauliche Eignung des bestandskräftig genehmigten Lagergebäudes sei demgegenüber nicht Gegenstand der 2. SAG.

Das vollständige Urteil mit Gründen wird den Beteiligten  schriftlich zugestellt.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monates nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden (Az.: 10 S 3450/11).

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