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Übertritt zum christlichen Glauben schützt nicht vor Abschiebung in den Iran

Datum: 25.07.2005

Kurzbeschreibung: 


Es ist einem Asylbewerber auch nach Inkrafttreten des am 30.07.2004 verkündeten Aufenthaltsgesetzes weiterhin zumutbar, seine Religionsausübung im Heimatland auf den privaten und „nachbarschaftlich-kommunikativen“ Bereich zu beschränken, um so Gefährdungen seiner Person zu vermeiden. Ob diese Rechtslage auch in Einklang mit der am 30.09.2004 veröffentlichten Richtlinie des Rates der Europäischen Union über Mindestnormen für die Anerkennung von Flüchtlingen (so genannte „Qualifikationsrichtlinie“) steht, kann nach einem Beschluss des 3. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) vom 12.05.2005 derzeit offen bleiben. Denn ein Ausländer kann sich vor Ablauf der Umsetzungsfrist dieser Richtlinie (10.10.2006) nicht auf diese, möglicherweise günstigeren Richtlinienvorgaben berufen kann.

Der Kläger, ein lediger iranischer Asylbewerber, reiste im Jahr 2001 nach Deutschland und trug zur Begründung seines Asylantrages zunächst vor, er sei im Iran als Sympatisant der Volksmudjaheddin politisch verfolgt worden. Dies wurde sowohl vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch vom Verwaltungsgericht Karlsruhe als unglaubhaft erachtet. Während seines Asylverfahrens trug er vor, er sei zum christlichen Glauben übergetreten und gehöre der baptistischen evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an. Zum Selbstverständnis dieser Gemeinde gehöre es, zu missionieren. Dies sei im Iran strengstens verboten. Das Verwaltungsgericht wies seine Asylklage u.a. mit der Begründung ab, das religiöse Existenzminimum, das im Wesentlichen die Religionsausübung im privaten und „nachbarschaftlich-kommunikativen“ Bereich umfasse, sei im Iran auch für Christen gewahrt. Erst ein in der Öffentlichkeit vorgetragenes religiöses Bekenntnis oder missionarisches Tätigwerden führe zu einer Gefährdung. Solche Aktivitäten seien aber (derzeit) asylrechtlich nicht geschützt. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung machte der Kläger geltend, diese vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Auffassung des Verwaltungsgerichts verstoße gegen die „Qualifikationsrichtlinie“ des Rates der Europäischen Union, die auch vor einer Umsetzung des Bundesgesetzgebers bzw. vor Ablauf der Umsetzungsfrist „Vorwirkungen“ entfalte.

Dem ist der VGH nicht gefolgt. Er hat die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verneint, da die Frage der Vorwirkung von Richtlinien in der Rechtsprechung des Gerichthofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hinreichend geklärt sei. Hiernach könne sich ein Ausländer vor Ablauf der dem Bundesgesetzgeber aufgegebenen Umsetzungsfrist einer Richtlinie, d. h. hier vor dem 10.10.2006, nicht auf einzelne Richtlinienvorgaben berufen, sofern nicht zu einem früheren Zeitpunkt das nationale Umsetzungsgsetz in Kraft getreten sei. Damit könne derzeit offen bleiben, ob Missionierungsaktivitäten vom asylrechtlichen Schutzbereich der Richtlinie überhaupt erfasst werden, weshalb auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung dieser Frage derzeit ausscheide. Vielmehr obliegt es zunächst dem Bundesgesetzgeber die Prüfung, ob das neue Aufenthaltsgesetz aufgrund europarechtlicher Vorgaben erneut geändert werden muss.

Der Beschluss ist unanfechtbar (AZ: A 3 S 358/05).

Aufenthaltsgesetz 2004

§ 60
Verbot der Abschiebung
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. ..........

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes

Artikel 10
Verfolgungsgründe
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe berücksichtigen die Mitgliedstaaten Folgendes:
a) ........
b) Der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.





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