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Behandlung von "Winkelfehlsichtigkeit" durch Optiker nur mit Auflagen erlaubt

Datum: 02.03.2005

Kurzbeschreibung: 


Ein Augenoptiker darf eine Prismenbrille nur aufgrund ärztlicher Verordnung oder nach einem schriftlichen und mündlichem Hinweis veräußern, dass er keine heilkundliche Behandlung durchführen wolle und könne und deshalb vorsorglich die Zuziehung eines Arztes oder eines Heilpraktikers mit entsprechender Erlaubnis anheim stelle. Dies hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Urteil vom 17.02.2005 in zweiter Instanz bestätigt und die Berufung eines im Enzkreis ansässigen Optikers gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 18.12.2003) zurückgewiesen.

Dem zum damaligen Zeitpunkt selbständigen Optiker (Kläger) wurde im November 2000 von der zuständigen Ortspolizeibehörde untersagt, Prismenbrillen ohne den vorgenannten Hinweis an Kunden abzugeben. Der Kläger ist spezialisiert auf die Diagnose der sogenannten „Winkelfehlsichtigkeit“ und deren Korrektur durch Prismenbrillen. Als „Winkelfehlsichtigkeit“ wird von Optikern ein Bildlagefehler bezeichnet, der bei etwa 70 % der Menschen zu beobachten ist. Er kommt dadurch zustande, dass sich die Augen ohne den Anreiz, auf ein Objekt zu blicken, nicht exakt nach vorne ausrichten würden. Über den Anreiz gelingt es dem Gehirn jedoch in der Regel, die Bilder beider Augen, die sonst als Doppelbilder erscheinen können, im Zusammenwirken mit den Augenmuskeln zu verschmelzen. Zwischen Augenärzten und Optikern besteht seit einigen Jahren Streit über eine zu großzügige Verwendung von Prismengläsern. Diese werden vom Kläger und anderen Optikern vor allem Kindern angepasst, um diesen bei einer Vielzahl von Lernstörungen und verschiedenen anderen Beschwerden zu helfen, die auf eine „Winkelfehlsichtigkeit“ zurückgeführt werden.

Der VGH hat mit Urteil vom 17.02.2005 bestätigt, dass die Abgabe von Prismengläsern ohne den von der Beklagten geforderten Hinweis eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz ist und damit einen Straftatbestand erfüllt. Zwar dürfte die vom Kläger angewandte Mess- und Korrektionsmethode nach H.J. Haase (MKH) ein rein physikalischer, optisch-technischer Messvorgang sein. Die Tätigkeit des Klägers erwecke jedoch beim Kunden den Eindruck, sie ziele darauf ab, ihn nicht nur von einer „Fehlsichtigkeit“, sondern gerade auch von verschiedenen Leiden und körperlichen Defekten, wie z.B. Kopfschmerz, Druck über den Augen, Schulter- und Nackenschmerzen und Bauchschmerzen, befreien zu können. Damit stelle sich die Tätigkeit als „ausübende Heilkunde“ dar. Denn die Behandlung dieser Leiden sei zugleich Gegenstand der ärztlichen Berufsausübung. Die Abgabe von Prismenbrillen, wie sie der Kläger praktiziere, habe auch mittelbare Gesundheitsgefährdungen zur Folge. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass die Erwerber einer Prismenbrille aufgrund der vom Kläger erweckten Erwartungshaltung von einem eigentlich gebotenen und vorgesehenen Arztbesuch Abstand nehmen, wodurch das frühzeitige Erkennen ernster Leiden verzögert werden könne. Die Abgabe von Prismenbrillen sei dem Kläger auch nicht absolut verboten, vielmehr solle durch die Hinweise sichergestellt werden, dass dieser einer sonst verbotenen Tätigkeit nach dem Heilpraktikergesetz ausnahmsweise nachgehen könne.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen; der Kläger kann hiergegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen (Az.: 9 S 216/04).





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