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Rechtswidriger Wohnungsverweis

Datum: 08.10.2004

Kurzbeschreibung: 


Ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Wohnungsverweis ist grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen, d. h. regelmäßig nur zur Verhinderung von Gewalt- und Nötigungsdelikten zulässig. Mit dieser Begründung hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) einen von Beamten der Landespolizeidirektion Stuttgart II verfügten Wohnungsverweis für rechtswidrig erklärt und auf die Berufung des Klägers das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart geändert.

Der Kläger wohnte mit seinem damaligen (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner in Stuttgart. Auf seine Ankündigung, zum 31.01.2001 aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, kam es wiederholt zu Meinungsverschiedenheiten, bei denen der Partner seinen Suizid ankündigte. Am 30.10.2000 verließ der Partner mit Rucksack und Schlaftabletten die Wohnung und erklärte, sich das Leben nehmen zu wollen. Die vom Kläger daraufhin informierten Polizeibeamten nahmen den Partner des Klägers zunächst in Gewahrsam und brachten ihn in die gemeinsame Wohnung zurück, nachdem dessen Hausärztin eine akute Suizidgefahr verneint hatte. Auf die Empfehlung der Hausärztin, ein Zusammentreffen der Partner in der Nacht zu verhindern, forderten die Polizeibeamten den Kläger, der zu diesem Zeitpunkt Untermieter war auf, die Wohnung zu verlassen und die Wohnungsschlüssel herauszugeben. Dem kam der Kläger nach Androhung von Zwangsmaßnahmen nach. Seine hierauf erhobene Klage, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Wohnungsverweises begehrte, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der VGH das Urteil geändert und festgestellt, dass der Platzverweis rechtswidrig war.

Zur Begründung führt der VGH aus: Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung, da der von der Polizei verfügte Platzverweis erheblich in dessen Grundrechte eingegriffen habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die polizeiliche Aufforderung gegenüber dem Kläger, die gemeinsame Wohnung zu verlassen und vorerst nicht mehr zu betreten, rechtwidrig gewesen. Zwar könne der polizeiliche Wohnungsverweis, der im Gegensatz zu anderen Ländern in Baden-Württemberg spezialgesetzlich nicht geregelt sei, zumindest für die Zeit einer Erprobungsphase auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden. Dem stehe auch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz des Bundes nicht entgegen, da dieses nur den zivilrechtlichen Schutz der Opfer häuslicher Gewalt regele und flankierende polizeiliche Maßnahmen nicht ausschließe. Da die Maßnahme jedoch die durch Art. 11 Abs. 1 GG garantierte Freizügigkeit einschränke, komme sie grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen in Betracht. Strafbare Handlungen des Klägers seien nach dem damaligen Kenntnisstand der Polizei jedoch nicht zu befürchten gewesen. Außerdem sei der Kläger nicht als Störer im polizeirechtlichen Sinn in Betracht gekommen.

Das Urteil ist rechtskräftig (Az.: 1 S 2801/03).





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