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Unternehmen der Papierindustrie darf 50 % ige Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts für die Jahre 1995 bis 1997 behalten

Datum: 14.05.2004

Kurzbeschreibung: 


Der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) hat in einem heute verkündeten Urteil entschieden, dass die einem Unternehmen der Papierindustrie für die Jahre 1995 bis 1997 gewährten Ermäßigungen des Wasserentnahmeentgelts um 50 % zu Unrecht zurückgenommen worden sind.

Die Klägerin produziert Zellstoff, Papier und Watte. Zu Kühl- und Fabrikationszwecken entnimmt sie Oberflächenwasser aus dem Rhein und Grundwasser auf ihrem Werksgelände. Sie hat hierfür nach dem Wassergesetz von Baden-Württemberg ein sogenanntes Wasserentnahmeentgelt zu entrichten. Das Wassergesetz sieht vor, dass das Entgelt in Fällen „wasserintensiver Produktion“ um bis zu 90 % ermäßigt werden kann, wenn ansonsten die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs erheblich und nicht nur vorübergehend beeinträchtigt wäre. Der Vollzug dieser Vorschrift ist in einer Verwaltungsvorschrift des baden-württembergischen Ministeriums für Umwelt und Verkehr geregelt. Dort sind in einem Katalog verschiedene Produktionszweige aufgeführt, bei denen im Regelfall ohne weitere Nachweise davon ausgegangen werden kann, dass die Ermäßigungsvoraussetzungen vorliegen, und in denen außerdem im Regelfall um 50 % ermäßigt wird (Katalogfälle). Diese Katalogregelung beruht auf einer eingehenden Auswertung von Bilanzen mehrerer Betriebe verschiedener Branchen und der jeweiligen Marktsituationen; sie soll eine unterschiedliche Verwaltungspraxis im Lande mit entsprechenden Wettbewerbsverzerrungen vermeiden.

Die Klägerin gehört einem der im Katalog aufgeführten Produktionszweige an. Dementsprechend erhielt sie für die Jahre 1995 bis 1997 pauschal ohne Einzelfallprüfung eine Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts um 50 %. Hinsichtlich der weitergehenden Anträge der Klägerin auf Ermäßigung um 90 % forderte die Stadt Mannheim jedoch die Bilanzen für diese Jahre an. Deren Auswertung ergab, dass der Prozentsatz der durch das Wasserentnahmeentgelt bedingten Minderung des Gewinns, ab dem nach einer in der Verwaltungspraxis herangezogenen „Faustformel“ (5 %) von einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit ausgegangen wird, in den Jahren 1995 bis 1997 deutlich unterschritten wurde. Sie lehnte daraufhin nicht nur - bestandskräftig - eine weitergehende Ermäßigung um 90 % ab, sondern nahm diese Erkenntnisse zum Anlass, die pauschal bereits gewährten Ermäßigungen um 50 % zurückzunehmen. Die dadurch ausgelösten Nachforderungen gegenüber der Klägerin betragen mehr als 500.000 EUR.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies den Widerspruch der Klägerin gegen die Rücknahme der Ermäßigungen zurück. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Rücknahmebescheide indes mit Urteil vom 24.3.2003 aufgehoben, weil die Ermäßigungen rechtmäßig gewährt worden seien. Der VGH hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt und die Berufung der beklagten Stadt im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

Die Rücknahme der Ermäßigungen könne unabhängig von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit schon deshalb keinen Bestand haben, weil die engen Tatbestandsvoraussetzungen der insoweit entgegen der Auffassung der Beklagten einschlägigen Vorschrift der Abgabenordnung, nach denen ein rechtswidrig begünstigender Bescheid zurückgenommen werden könne, hier nicht vorlägen. Unabhängig davon seien die Ermäßigungen auch rechtmäßig gewährt worden. Nach bisheriger Senatsrechtsprechung sei nicht zu beanstanden, dass die Verwaltung in den Katalogfällen im Regelfall ohne weitere Nachprüfung von einer entgeltbedingten Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit ausgehe und dem regelmäßig mit einer pauschalen Ermäßigung des Entgelts um 50 % begegne, während in den anderen Fällen eine Ermäßigung nur nach konkreter Sachprüfung gewährt werde. Ausgehend davon bestehe in den Katalogfällen erst dann Anlass für eine Einzelfallprüfung, wenn konkrete Anhaltspunkte (etwa Zeitungsberichte, Pressemitteilungen, Bilanzen) dafür bestünden, dass sich die Wettbewerbssituation der jeweiligen Branche im Lande insgesamt oder - branchenuntypisch - gerade des einzelnen Betriebes deutlich und auf Dauer verbessert haben könnte. Vorliegend sei jedoch nicht erkennbar, dass zum Zeitpunkt der Gewährung der pauschalen Ermäßigung um 50 % derartige Anhaltspunkte vorgelegen hätten. Die Ermäßigungen seien mithin rechtmäßig gewährt worden. Daran änderten die nachträglich in anderem Zusammenhang gewonnenen Erkenntisse aus der Bilanzauswertung nichts. Diese könnten nur Anlass sein, künftige Ermäßigungen von einer Einzelfallprüfung abhängig zu machen. Schließlich sei die Rücknahme der Ermäßigungen auch deshalb zu beanstanden, weil nicht geprüft worden sei, ob die Rücknahmevoraussetzungen auch hinsichtlich der pauschal gewährten Ermäßigungen um 50 % vorgelegen hätten, welche den mit der Klägerin konkurrierenden Betrieben der Papierbranche im Lande in den Jahren 1995 bis 1997 gewährt worden seien. Sollten diese sich nämlich in diesem Zeitraum in einer vergleichbaren Wettbewerbssituation befunden haben, hätte die Rücknahme der Ermäßigungen nur bei der Klägerin eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung zu deren Lasten zur Folge.

Die Revision wurde nicht zugelassen; die Beklagte kann hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen (Az.: 8 S 995/03).





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