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Kein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich gemeindlicher Fernwärmeversorgung aus Gründen überörtlichen Umweltschutzes

Datum: 22.03.2004

Kurzbeschreibung: 


Gemeindeeinwohner können nicht zum Anschluss an die öffentliche Fernwärmeversorgung verpflichtet werden, wenn damit lediglich Ziele überörtlichen Umweltschutzes verfolgt werden. Diese bereits in der Vorinstanz vom Verwaltungsgericht Stuttgart vertretene Auffassung hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit seinem am 18.3.2004 verkündeten Urteil bestätigt.

Die beklagte Stadt hatte die Kläger auf der Grundlage einer gemeindlichen Satzung aufgefordert, ihr Grundstück an die für das Baugebiet eingerichtete Fernwärmeversorgung anzuschließen. Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass sie zum Bau und Betrieb einer Ölheizung auf ihrem Wohngrundstück berechtigt sind. Sie vertraten die Auffassung, für eine öffentliche Fernwärmeversorgung bestehe kein öffentliches Bedürfnis, da das für die Fernwärmeversorgung vorgesehene Blockheizkraftwerk gegenüber der Verwendung von umweltfreundlichen Einzelheizanlagen jedenfalls im Bau- und Gemeindegebiet zu keiner Verringerung der Schadstoffbelastung führe. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Stadt hat der VGH nunmehr zurückgewiesen.

Dabei hat der VGH an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach das den Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigende öffentliche Bedürfnis voraussetzt, dass durch den Anschluss- und Benutzungszwang nach objektiven Maßstäben das Wohl gerade der Gemeindeeinwohner gefördert wird. In Fällen der Einrichtung einer Fernwärmeversorgung bedeute dies, dass die Maßnahme auf eine Verbesserung der örtlichen Umweltsituation gerichtet sein müsse. Es reiche deshalb nicht aus, wenn die Fernwärmeversorgung nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistungen an anderer Stelle zu einer Verringerung des Schadstoffausstoßes führe. Der VGH sieht sich in dieser Auslegung der maßgeblichen Vorschrift des § 11 Abs. 2 der Gemeindeordnung durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Diese enthielten deutliche Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber den Kommunen nicht die Möglichkeit habe einräumen wollen, unabhängig von der jeweiligen örtlichen Umweltsituation allgemeine bzw. überörtliche umweltpolitische Ziele zu verfolgen. Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG bzw. Art. 3 a der Landesverfassung zwinge zu keiner anderen Beurteilung. Denn die danach auch an die Gemeinden adressierte Pflicht, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, bestehe nur nach Maßgabe von Gesetz und Recht und könne von den Kommunen deshalb nur im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenz wahrgenommen werden. An dieser Sichtweise ändere auch ein Urteil des OVG Schleswig aus dem Jahr 2002 nichts. Zum einen unterscheide sich die schleswig-holsteinische Regelung mit der unmittelbaren Bezugnahme auf den „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ maßgeblich von der im vorliegenden Fall einschlägigen Rechtsgrundlage der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Zum anderen habe der Senat anders als das OVG Schleswig gerade nicht feststellen können, dass der baden-württembergische Landesgesetzgeber den Gemeinden überörtliche Aufgaben im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes zur Selbstverwaltung habe übertragen wollen.

Ausdrücklich bemerkt der Senat, dass nicht in Zweifel gezogen werde, dass durch eine Blockheizkraft-Fernwärmeversorgung überörtlich eine erhebliche Reduzierung der CO2-Emissionen erreicht und damit auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könnte. Kommunale Maßnahmen müssten jedoch den durch die Gesetze vorgegebenen rechtlichen Rahmen beachten. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf die in anderen Bundesländern zum Teil praktizierte Möglichkeit hin, in den Landesimmissionsschutzgesetzen einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärmeanlagen vorzusehen.

Eine den Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigende Verbesserung der örtlichen Umweltsituation hat der Senat auf der Basis der von der Beklagten eingeholten Gutachten nicht festzustellen vermocht.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zugelassen worden; die beklagte Stadt kann dagegen noch Beschwerde einlegen (Az. 1 S 2261/02).





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